Wolfgang Amadeus Mozart
La clemenza di Tito

Theater Osnabrück

Premiere: 21. Januar 2023

Musikalische Leitung Andreas Hotz
Inszenierung Hendrik Müller
Bühne und Kostüme Marc Weeger
Licht Ernst Schießl
Dramaturgie Juliane Piontek
Tito Aljoscha Lennert
Vitellia Marysol Schalit
Sesto Olga Privalova
Servilia Julie Sekinger
Annio Anna Kudriashova
Publio Erik Rousi

weitere Vorstellungen: 27. Januar, 4. und 18. Februar,
9., 17., 24. und 29. März, 4. April sowie 2. Mai 2023

Ein aufwühlender und inspirierender Opernabend, optisch wie musikalisch ein Hochgenuss.
[Dominik Lapp - Kulturfeder, 23. Januar 2023]

Wenn sich in der Mitte der Ouvertüre der Vorhang im Theater am Domhof hebt, sehen wir eine Säulenhalle, darin eine Herrscherstatue, an der zwei Dienstboten herumpolieren. Nebel wabert - oder sind das die Wolken, über denen der Repräsentativbau schwebt, fernab der Realität unten beim Volk? Misstrauen etwas Regisseur Hendrik Müller und sein Ausstatter Marc Weeger genauso wie GMD Andreas Hotz der herrschaftlichen Geste der Musik und womöglich auch der "clemenza" [...]?
Wenn die Titelfigur Tito vom Himmel herabsinkt, in der gleichen Pose wie die Statue in der Säulenhalle, wird sehr schnell deutlich, dass Tito keineswegs ein milder Landesvater ist, sondern ein Tyrann. [...] Angesiedelt ist das Stück im antiken Rom, und wenn auch einige Tyrannen zeitgenössische Vorbilder abgeben würden, belässt es Müller auch dort und beschränkt sich auf ein paar kritische Andeutungen. Wichtiger ist ihm das Erbe der Barockoper, an das Mozart anknüpft, und das zeigt der Abend in aller optischen Pracht. Tito im üppigen Königsblau, seine Rivalin Vitellia mit ausladender Barockperücke und mal im Glitzerumhang, mal im hautengen, hautfarbenen Nacktdress, Titos Berater Publio in der roten Kardinalssoutane: Dieser "Titus" ist ein Fest für die Augen, dank der opulenten Kostüme, die ebenfalls von Marc Weeger stammen. [...] Müller holt, gemeinsam mit Ausstatter Weeger, das Bestmögliche heraus. Er lässt die Erotik des Androgynen hochleben mit den Frauen, die Männerrollen singen, er hat sogar, dank der wunderbaren Marysol Schalit, Momente von Shakespearehafter Dimension: Schalit singt nicht nur wunderbar, sondern ist einerseits die skrupellose Intrigantin, andererseits die Figur, die der tragischen Handlung komödiantische Momente abgewinnt.
[Ralf Döring - Neue Osnabrücker Zeitung, 22. Januar 2023]

An der schier übermenschlichen Milde von Titus in Mozarts Oper scheiden sich die Geister. Die einen halten Titus für die blasse Verkörperung einer Idee, die anderen bewundern die kunstvolle Reinheit und Innigkeit der Figur. Der Geist der Jetztzeit hat für Regisseur Hendrik Müller die Möglichkeit geboten, der Milde des Titus einen queeren Aspekt hinzuzufügen. Dieser spannende und musikalisch rundum gelungene Titus wurde vom Publikum der Premiere im Theater am Domhof in Osnabrück begeistert aufgenommen. Die Bühne beherrscht ein erhöhter römischer Tempel mit einer marmornen Augustus-Figur (Bühne und Kostüme: Marc Weeger). Passend wie aus deren Untergrund tauchen die Verschwörer gegen den Kaiser Titus auf, allen voran Vitellia (Marysol Schalit), die ehrgeizige Tochter des vorherigen Kaisers. [...]
Die Figur des Titus ist in ein zumindest in der herrschenden Elite sexuell offenes Rom eingebettet. Die stets freizügig gekleidete Vitellia verteilt ihre Gunst neben Sesto auch an Annio. Der hat zwar mit Servilia eines der innigsten Liebesduette, taucht aber auch als eitler Lustknabe Titus’ auf. Die Liebe geht hier queer durch den ganzen engeren Kreis um den Kaiser. Dagegen steht der konservative Hardliner Publio (Erik Rousi), der auf strikte Einhaltung der Gesetze bestehende Chef der kaiserlichen Leibwache. Der verweigert sich nicht nur barsch Vitellias drastischem Versuch, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Er führt auch das Volk dabei an, der umfassenden Liebe des Kaisers ein tragisches Ende zu bereiten.
Regisseur Hendrik Müller hat die etwas angestaubte Oper beispielhaft spannend aktualisiert. Hatte sie Mozart 1791 zur Krönung Leopolds II. mit Titus als Ideal eines toleranten Regenten zur Zeit der Bürgerkriege in der Französischen Revolution komponiert, steht der Titus in Osnabrück ästhetisch überzeugend weniger für politische Toleranz als für die Akzeptanz sexueller Vielfalt. Müllers Aktualisierung führt beispielhaft zwanglos dazu, die eigenen Empfindungen angesichts abweichender Lebens- und Liebesformen bei sich wahrzunehmen und sich selbstkritisch mit ihnen auseinanderzusetzen. [...] Nach gut zweieinhalb Stunden war der Beifall des Premierenpublikums für alle Beteiligten überwältigend.
[Hanns Butterhof - ioco.de, 26. Januar 2023]

Bei "La clemenza di Tito" haben wir es mit einem ausgesprochen klassischen Stoff zu tun, den Hendrik Müller ebenso klassisch inszeniert hat – und das kommt beim Publikum sehr gut an. Wenn sich der Vorhang während der Ouvertüre hebt, gibt er den Blick frei auf eine Säulenhalle des römischen Kapitols, das später in Schutt und Asche liegen wird. Durch den geschickten Einsatz von Drehbühne, Nebel, Licht und Projektionen entwickelt das Einheitsbühnenbild von Marc Weeger eine schöne Dynamik. Die handelnden Figuren sind dazu in eindrucksvolle Kostüme gekleidet, für die ebenfalls Weeger verantwortlich zeichnet. Rein optisch ist dieser "Titus" also schon mal großartig.
[Dominik Lapp - Kulturfeder, 23. Januar 2023]

Milde und Vergebung zahlen sich nicht aus. Denn die Mächtigen im Reich brauchen jemanden an der Spitze, den sie beeinflussen können und der ihre Interessen mit Härte durchzusetzen bereit ist. Und so muss Kaiser Titus eben sterben, nachdem er alle Intrigen gegen ihn überlebt und seinen Feinden vergeben hat. Er stirbt - wie einst der große Caesar - unter Dutzenden von Messerstichen. Das Volk erweist sich als als eiskalte Mörderbande [...]. Regisseur Hendrik Müller hat mit seinem Team dieses blutige Ende für Mozarts "La clemenza di Tito" erdacht und es schon im Verlauf des Abends vorbereitet. Denn Marc Weeger stellt ein antikes Regierungsgebäude mit einer Herrscherstatue auf die Bühne. Doch unter den intakten Symbolen eines gefestigten Systems befindet sich ein Kellergewölbe, felsenreich und mit Gängen durchzogen. Durch diese Gänge treten die Verschwörer gegen Titus auf und ab, unterhöhlen so gleichsam den scheinbar fest auf Stein gebauten Staatsapparat. Das ist ein sehr sprechendes [...] Bild.
[Thomas Hilgemeier - theaterpur.net, Januar 2023]

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